Zeidlers „Spiel am Meer“ ist eng verbunden mit seinen jährlich wiederkehrenden, dreimonatigen Aufenthalten an der französischen Altlantikküste im bretonischen Erquy. Zeidler liebte die vom Mond dirigierte Kraft der Gezeiten und den reich gedeckten Tisch an Strandgut, wenn sich das Meer bei Ebbe weit zurückzog. Bei Ebbe gab die Natur ihm Muscheln, Krebse, Seeigel, Holz, Steine, Fischgräten und kleine Plastiknetze. Daraus schuf er seine Werke. Die erste nummerierte Strand-Collage trägt den Titel „Bretagne, abendlich“ und wurde in Erquy, Frankreich gefertigt. Bis 2001 entstanden insgesamt 173 solcher Werke. Nach 1995 fertigte Zeidler nur noch Strand-Collagen und davon auch nur 14 Stück an. Die Strand-Collage „Der Spaziergang“ (Nummer „CLXXIII“, Werk-Nr. 2191) vom 12.6.2001 schließt den Werkkatalog und damit auch das Lebenswerk des Künstlers ab. Für die kleinen Freuden schuf er Miniplastiken, sogenannte Assemblagen, die in keinem Katalog stehen.

In seinem „Spiel am Meer“ befasst sich Zeidler in seiner Tempera und Lithographie unter anderem mit den Leuchttürmen der Bretagne und ihren Felsformationen. Es tauchen Strandzelte an der windigen Atlantikküste auf. Eines der wohl am beeindruckendsten Werke Zeidlers ist der Leuchtturm aus dem Temperabild „Nur am Meer“ (Werk-Nr.: 2141; Sammlung Dr. Martin Röper & Georgeta Arauner-Röper). Das Werk entstand 1992 in Erquy/Frankreich und ist mit seinem windigen Spiel am Meer typisch für die späte Schaffensphase von Zeidler. Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch auch, dass der Künstler fast vierzig Jahre nach seinen Anfängen den Ruinen treu geblieben ist. Zeidlers „Spiel am Meer“ bezeichnet die Spätphase des Künstlers und ist schlussendlich eine Flucht aus dem hässlichen Berlin. Die Natur zerstört nicht, sagte Zeidler immer wieder.

Sein letztes Werk stammt aus dem Jahr 2001. Als Seine Frau Ariane 2004 verstarb, beendete Zeidler seinen Werkkatalog mit einem entsprechenden Eintrag: „18.9.1926 geboren, 18.9.2004 Arianes Tod“. Bereits vorher, Ende der neunziger Jahre lernte Hans-Joachim Zeidler die Berliner Fossiliensammler Peter und Marianne Werth kennen. Ausgangspunkt war ein Flohmarkt, wo die beiden Liebhaber des Solnhofer Steins ihre Fossilien verkauften. Aus dieser Verbindung entstand im Jahr 2001 auf Anregung von Peter Werth eine gemeinsame Ausstellung mit Solnhofer Fossilien und ausgewählten Lithographien in der Burg Beeskow im Landkreis Oder-Spree. Tilman Schladebach, damaliger Direktor des Kultur- und Bildungszentrums, brachte die Ausstellung von Fossilien und Lithographien im Jahre 2001 unter dem Titel „NaturSteinKunst“ heraus. Damit traf er unwissentlich den Nerv der fernen Solnhofer Kernkompetenz „Natur, Kultur & Stein“.

Zu dieser Zeit bauten die Werths den Kontakt zwischen Zeidler, der keine Kinder hinterließ, und Dr. Martin Röper in Solnhofen her, der durch seine eigenen Tätigkeiten als Strandsammler an den mediterranen Küsten, seiner früheren Verwurzelung im Künstlerverein Malkasten in Düsseldorf und seiner Stellung in Solnhofen mit Zeidler eine Basis fand, das in Beeskow realisierte Konzept „NaturSteinKunst“ weiterzudenken. 2003/2004 fanden zwei Menschen zusammen, die zur gleichen Zeit in die gleiche Richtung schauten, nämlich nach Solnhofen. Zeidler fand nach dem Tod seiner Frau 2004 in der Gemeinde Solnhofen eine würdige Adresse, sein Lebenswerk in einen sicheren musealen Hafen zu bringen. Als Zeidler im Jahr 2009 die Diagnose der Erblindung bekam, nahm er sich am 24. Januar 2010 in Berlin das Leben.

Mit Hilfe der Freunde und Förderer des Bürgermeister-Müller-Museum Solnhofen e. V. und der Schenkung der Sammlung Rosel und Wolfgang Meyer aus Berlin Spandau besitzt das Geo-Zentrum Solnhofen heute einen Berliner Kulturschatz, der die Identität der Juralandschaft in Altmühltal wie den Nagel auf den Kopf trifft. Das Jahr 2023 beschreibt einen weiteren großen Meilenstein in der Zeidler-Geschichte mit der Ausstellung „Berliner Malerpoet Hans-Joachim Zeidler – Eine Retrospektive“ in der KunstSchranne Weißenburg, vermutlich bis dato die größte und umfänglichste Ausstellung des Künstlers.

Ich geh' zum Bildermarkt

Ich geh‘ zum Bildermarkt | Strand-Collage auf Tempera; 25,2 x 14,2 cm; Sammlung Rosel und Wolfgang Meyer; Stiftung Christian Herms | Werk-Nr.: 1792 XXXVII, 31.1.1985

[Der ursprüngliche Text stammt von den Kuratoren Dr. Martin Röper & George Arauner und war Teil der Ausstellung „Berliner Malerpoet Hans-Joachim Zeidler – eine Retrospektive“ vom 30.06. bis 06.08.2023 in der KunstSchranne Weißenburg.]

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