Wenn der Betrachter sich in den Ruinenlandschaften verliert, von fabelhaften Kreaturen irritiert wird oder einfach nur den Blick in die Ferne von Zeidlers Weltraum- oder Meeresbildern wirft, steht am Anfang doch immer der Künstler mit seiner Idee, seiner Motivation und seinen Lebenserfahrungen. Der Prozess der dazwischen liegt, bleibt dem Sammler, Betrachter und zumeist auch dem Experten verborgen. Darüber geben – wie auch bei anderen Künstlern – die Skizzenbücher des Künstlers Aufschluss. Inspiriert von van Beeks dicken Skizzenbüchern mit den zahlreichen Entwürfen, chemischen Formeln und so manchem Detail zu seiner Arbeit, begann auch Zeidler Buch zu führen und notierte seine flüchtigen Ideen. Insgesamt beinhaltet die Sammlung des Geo-Zentrum Solnhofen neun der zehn Skizzenbücher, die etwa 27 x 35 cm groß sind und die römische Nummerierung II bis X tragen. Die erste Sammlung mit der Nummer I und den Jahrgängen vor 1971 war leider nicht Teil der Stiftung des Künstlers und gilt bis dato als verschollen. Das zehnte Skizzenbuch (römisch X) wurde von 1993 bis 1995 bei Erquy in der Bretagne im Nordwesten Frankreichs geführt und stellt den Abschluss der Reihe dar.
„Der Rundgang durch die Wohnung endet meist im Atelier, wo ich den Ausgangspunkt der Arbeit, nämlich die Skizzenbücher zeige, zu denen mich der Keramiker Bontjes van Beek (dem ich viel verdanke) 1954 anregte.“
– Hans-Joachim Zeidler, Atelierbesuch, 1985
DIE 9 SKIZZENBÜCHER
Skizzenbuch II | 1971 – 1974
Im Skizzenbuch II finden sich u. a. einige Weltraummotive, diverse Fabeltiere und auch eine zweiseitige, schriftliche Ideenliste für Bildmotive. Es enthält etwa 193 Skizzen und Zeichnungen.
Skizzenbuch III | 1975 – 1977
Bereits auf den ersten Seiten befinden sich viele kleine Skizzen. Häufige Motive sind u. a. Herzen, Bleistifte und Zeichenfedern. Die Skizze zur Lithographie „Ägyptisches Kartenblatt“ enthält einen Umriss von Zeidlers rechtem Fuß. Skizzenbuch III enthält etwa 315 Skizzen und Zeichnungen.
Skizzenbuch IV | 1978 – 1979
In diesem Skizzenbuch finden sich einige Farbskizzen, sowie verstärkt die Motive Leuchttürme, Seepferdchen und sogenannte „Unmögliche Figuren“ wie das Penrose-Dreieck. Skizzenbuch IV enthält etwa 341 Skizzen und Zeichnungen.
Skizzenbuch V | 1980 – 1981
In diesem Skizzenbuch tauchen vermehrt Heißluftballons, Klavierflügel und diverse „Steinbrüche“ auf. Ebenfalls sind hier viele Atompilze vertreten. Skizzenbuch V enthält etwa 287 Skizzen und Zeichnungen.
Skizzenbuch VI | 1982 – 1983
Auch hier finden sich wieder skurrile Ballons und fliegende Segler sowie einige Leuchttürme. Skizzenbuch VI enthält etwa 312 Skizzen und Zeichnungen.
Skizzenbuch VII | 1984 – 1986
Neben einigen Fabelwesen und Vogelscheuchen hat in diesem Buch insbesondere „Kater Murr“ seinen Platz gefunden. Der Schattenriss der Katze ist in vielen Skizzen sowie drei Zeichnungen auf Transparentpapier zu finden. Skizzenbuch VII enthält etwa 324 Skizzen und Zeichnungen.
Skizzenbuch VIII | 1987 – 1988
Dieses Buch enthält mit Abstand die meisten Skizzen und Zeichnungen. Schwerpunkt dieser Phase waren insbesondere die Schattenrisse der Vogelscheuchen, die 1989 im Buch „Hans-Joachim Zeidler oder die letzte Vogelscheuche“ auftauchen. Skizzenbuch VIII enthält etwa 507 Skizzen und Zeichnungen.
Skizzenbuch IX | 1989 – 1992
Unter den Skizzen befinden sich einige Sichelmondmotive sowie ein paar Eulen, einschließlich der „herzlichen Eule“ mit einer Größe von etwa 1,6 x 1,3 cm, die somit eine der kleinsten Skizzen in den Skizzenbüchern ist. Skizzenbuch IX enthält etwa 319 Skizzen und Zeichnungen.
Skizzenbuch X | 1993 – 1995
Mit einem Format von ca. 21,5 x 30,5 cm ist es das einzige „kleine“ Skizzenbuch. Es stellt den Abschluss der Skizzenbücher sowie Zeidlers Arbeit als Künstler dar und enthält viele Motive mit Zelten und Staffeleien am (windigen) Meer. Das Buch besteht aus zwei zusammengeklebten Teilen, die jeweils mit „Erquy“ betitelt sind. Skizzenbuch X enthält etwa 197 Skizzen und Zeichnungen.
[Der ursprüngliche Text stammt von den Kuratoren Dr. Martin Röper & George Arauner und war Teil der Ausstellung „Berliner Malerpoet Hans-Joachim Zeidler – eine Retrospektive“ vom 30.06. bis 06.08.2023 in der KunstSchranne Weißenburg.]
Das könnte Sie auch interessieren:
Die letzte Ausstellung des Jahres in der Galerie korridor.art ist zugleich die fantastischste. Kurator George Arauner präsentiert am 9. November[…]
Seit dem Jahr 1972 gehörte Zeidler mit weiteren Literaten und Künstlern zur Gruppe der Berliner Malerpoeten. Die Gruppe bestand aus[…]
Zeidlers „Spiel am Meer“ ist eng verbunden mit seinen jährlich wiederkehrenden, dreimonatigen Aufenthalten an der französischen Altlantikküste im bretonischen Erquy.[…]